Happiness does not wait

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Samstag, 24. Dezember 2011

Schuld

Es ist abends, meine Mutter kommt gerade nach Hause, sie hat Dienst- sicherlich fährt sie diese Nacht nochmal rein. Gleich wird sie die Tür aufmachen und mir gute Nacht sagen oder ein "mach nicht zu lange" je nachdem.
Es ist etwas fremd hier zu sein. Die einzigen, die wirklich auf mich angewiesen sind, sind meine Fische und meine Pflanzen. Es gießt keiner wirklich, es kümmert keinen, dass der eine Filter nicht mehr richtig läuft oder dass der Wasserstand viel zu niedrig ist. Von den Algen, die sich in ein neues Aquarium eingenistet haben- ganz zu schweigen. Das macht mich sauer, das Aquarium war niegelnagelneu und komplett fertig eingerichtet. Mit das letzte, was ich getan habe vor meinem Auszug. Meinen Fischen soll es gut gehen, wo ich sie schon nicht mitnehmen kann. Ist es zu viel erwartet, einmal in der Woche die Pflanzen zu begutachten und die, die nicht gesund aussehen, rauszunehmen, damit gerade sowas nicht passiert? Algen -.-
Morgen ist Heilig Abend, ich sollte lieber an anderes denken zum Beispiel an das Geschenk für meine Schwester, was noch nicht eingepackt ist. Doch vermisse ich im Moment das Kleinsein und hier leben. Meine Schwester morgens und abends, in der Schule oder sonst wo sehen, ein paar Sätze tauschen, mit ihr kochen und dabei lautstark und schief alle Lieder im Radio mitsingen, sie von A nach B fahren, ihr bei den Hausaufgaben helfen oder einfach im Bett rumgammeln und lesen, während sie Musik hört, am Laptop arbeitet oder schläft. Diese Nähe zu ihr. Aber sie ist erwachsen, erwachsender und vernünftiger als ich wahrscheinlich auch. Sie ist nicht mehr so angewiesen auf mich.
Ich will wieder hier sein und meine Freunde sehen, immer mit ihnen reden können. Ich will wieder zum Sport gehen und meine gewohnten Übungen machen.
Nur richtig wohnen will ich nicht. Kann, soll ich gar nicht. Der Abstand tut mir besser. Zu meinen Eltern und alldem.
Lernen, dass sie keine Macht mehr haben, dass sie mir nicht mehr weh tun können, dass ich entscheiden kann, was ich mag und nicht was ich in ihren Augen muss. Die Beratungsfrau vergleicht mich mit Frauen, die unter ihren Männern leiden, häusliche Gewalt. Sie hat viel damit zu tun, ich habe noch keinen gesehen, der in meinem Alter war, nur ältere oder Kinder, die aber nicht bei ihr sind, sondern bei der Erziehungshilfe dort im Gebäude. Sie sagt, das ist Gewohnheit. Das kleine Kind, was sich nicht traut, was unter den Eltern leidet und alles macht, was verlangt wird, weil das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle es sonst umbringen vor Gedankenqualen. Ich soll den Schritt daraus machen, aber weiß nicht wie.
Woher soll ich wissen, welches der richtige Weg ist oder zumindest welcher in die richtige Richtung geht? Entscheidungen treffen und ob es nur die Entscheidung ist, in welcher Bankreihe ich im Hörsaal sitzen will- schwer. Manchmal unmöglich.
Sie sagt weiter, dass wenn ich nichts ändere, es später vielleicht oder nein wahrscheinlich so ist, dass ich eine Ehe führen werde, falls ich je heiraten sollte, in der Gewalt auch vorherrscht. Denn ich kenne schließlich nichts anderes. Da habe ich ihr widersprochen, meine Mutter kann auch lieb sein und nett und mein Vater hatte auch Tage, an denen ich ihn nicht sehen muss, weil er viel Zeit auf der Arbeit oder sonst wo verbringt.
Und die Gegenfrage von ihr- "Und wann haben Sie bitte immer Angst gehabt? Oder anders, wann haben sie in den Momenten keine Angst gehabt?" gekonnt ignoriert.
Das Kind hat Schuld.
Ein schwerer Weg, zu sehen, dass es vielleicht nicht so ist.

Sie hat übrigens gute Nacht gesagt und noch einen der wirklich blöden Sätze geäußert, als sie gesehen hat, dass ich bereits im Bett liege und trotzdem auf dem Laptop noch tippe- "Davon kriegt man Öckenaugen (=Eckenaugen; eckige Augen)".

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