Happiness does not wait

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Montag, 20. September 2021

Ich würde alles zerstören

TW: sex. Mb. ohne Details und konkreten Schilderungen
Es tut mir leid, dass ich hin und herspringe zwischen meinen Gedanken und was ich parallel zur Ablenkung und als Dissoziationsschutz tue. Das erschwert vermutlich das Lesen, aber anders bekomme ich es aktuell nicht hin. 
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Und manchmal ist die Verzweiflung einfach da. Die Angst. Die Hoffnungslosigkeit. 
Was kann ich tun? 
Was sollte ich tun? 

Er ist mein Erzeuger. Vater, noch. Papa, schon lange nicht mehr. 
Er ist der Mann, der mit meiner Mutter verheiratet ist. Er ist der Sohn meiner Oma. 
Es schreit so sehr in mir, zerrt mich auseinander und nimmt mir die Luft. 
Ich höre in solchen Momenten auf zu atmen. 

Gerne würde ich mich selbst verletzen oder einschlafen. Einschlafen und nicht mehr aufwachen. Oder erst aufwachen, wenn ich mir ganz sicher wäre, dass er weg ist und meine Mutter nicht böse auf mich. Dass die Familie noch da ist, aber ohne ihn und ohne, dass ich diese Familie zerstört habe. 


Seitdem meine Therapeutin am Telefon in der Therapiestunde gesagt hat: „Das ist sexualisierte Gewalt, die Sie erleben", ist unwiderruflich ein Loch in diesen äußersten Glaspanzer gebohrt worden, was ich nicht stopfen kann. 
Mir war das bewusst, ihr was das bewusst, auch meiner Ergotherapeutin war das bewusst. Aber ich konnte nicht darüber reden. Nie. Ich habe alles im Ungewissen, im Vagen gelassen. Es war hinter milchigem Glas, verschwommen. In einen Nebel getaucht, zu dem ich die Wetterbedingungen innerlich ideal gehalten habe: Kein klarer Blick, schützend, versteckend. 
Dahinter habe ich die Mauern hochgezogen und hochgehalten. Mehrere, ganz viele. Ein paar Freund*innen dürfen manchmal hinter eine gucken. Ganz selten und merke ich, dass es zu nah ist, baue ich schnell neue, ziehe mich weiter zurück. Wehre ab. 


Ich spiele parallel Rummikub auf dem Handy. Die Hände beschäftigen, damit ich sie nicht um meine angezogenen Knie schlinge und mich hin- und herwiege. Das Gehirn beschäftigen, damit ich nicht komplett wegdrifte und die vermeintliche Kontrolle verliere. Die Augen müssen fokussiert bleiben, damit mir der Blick nicht verschwimmt. Die Ohren lauschen dem Sound und der laut tickenden Uhr, damit ich registriere, dass die Zeit vergeht. 
Maßnahmen, damit ich merke, ich bin real. Hier und Jetzt. Nicht in der Vergangenheit, in der so viel passiert ist, nicht in einem Moment, wo ich diese Schmerzen gehabt habe und diese Bilder statt gefunden haben. 

Es blitzt immer wieder der Wunsch hoch, mir das Leben zu nehmen, um diese Situation nicht mehr erleben zu müssen. Nicht mehr aushalten zu müssen. Nicht mehr entscheiden zu müssen, wie ich nun weiter mache. 


Bei anderen Menschen würde ich abgeschieden laut schreien vor Ungerechtigkeit. Anschließend anbieten, zu reden, unterstützen, vielleicht auf eine Anzeige plädieren. 
Bei mir selbst kann ich das nicht. Ich würde alles zerstören. 
Die Ehe der Eltern, meiner Mutter. Die gute Beziehung zwischen meiner Schwester und ihrem Vater. Die kleine enge Familie, die über die Jahre noch übrig geblieben ist. Meine Oma, die nun sehr viel vergisst, schneller abbaut; mein Opa von der anderen Seite, der verlassen wurde, plötzlich alleine da steht, Haushalt nicht mehr komplett alleine regeln kann, abnimmt vor Traurigkeit. 

Ich werde bald 30 und habe mein Leben nicht im Griff. Ich würde alles kaputt machen. Alles. Mein Leben. Die Familie. Die Liebe. Meine Schwester, die nach ihrer schweren Gehirnblutung jetzt erst wieder richtig den Boden unter den Füßen gefunden hat. 
Alles. Einfach nur, damit mein Fantasie-Gehirn, auf das einfach kein Verlass ist, irgendeiner Idee nachrennt. 
Bitte. Einfach nur schlafen. Ohne Träume. Ohne alles.
Einfach schlafen 

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